Description
Der Tag, an dem alle Träume wahr wurden
~ Kapitel 16 ~Will hatte die Augen geschlossen. Unruhig fingerte er an seiner Krawatte herum und versuchte erfolglos, sich selbst zu beruhigen. Wieder und wieder stimmte er seine Geige, befühlte mit feuchten Händen das glatte, polierte Holz und strich über die Saiten, als wolle er sich vergewissern, dass sie noch da war.
Geschäftig gingen die anderen hinter der Bühne auf und ab. Jeder ging sicher, dass sein Instrument auch an Ort und Stelle stand, dann bereiteten sie sich selbst vor. Will war der einzige, der sitzen blieb, wo er war.
Das Jahresabschlusskonzert. Grelle Scheinwerfer blendeten ihn, lockten Schweißtropfen auf seine Stirn. Und der Vorhang ihm gegenüber - rot und schwer - der sie alle noch trennte. Er atmete schwer, auf einmal war es schwer, sich auch nur zu bewegen.
Eine letzte Besprechung, dann nahmen alle ihren Platz auf der Bühne ein. Jenny packte bereitwillig die Griffe von Wills Rollstuhl und schob ihn mit sich.
„Bist du auch so aufgeregt?“, fragte sie, um die angespannte Stimmung zu lockern.
Will schluckte und nickte. „Kein Grund dazu.“, fuhr sie verschmitzt fort. „Ich bin mir sicher, es wird großartig werden.“
„Dafür haben wir geprobt“, sagte der Junge mit kratziger Stimme.
Applaus erhob sich und die zwei beeilten sich, auf ihre Plätze zu kommen. Jenny packte ihr eigenes Instrument und ließ sich neben den Jungen im Rollstuhl nieder. Auf der anderen Seite des Vorhangs erhob sich eine Stimme - es war ihre Orchesterleiterin, die eine kleine, einleitende Rede hielt, bevor es wirklich losging.
Nervös ließ Will seinen Blick über die ganze Bühne schweifen, doch überall begegneten ihm dieselben Gesichter, als würde er in einen Spiegel schauen. Anspannung. Nervosität. Und doch diese unbändige Freude… wie Windmill, wie sie sich einem Parcours gegenübersah, bereit, alles zu geben. Sich ins Getümmel zu stürzen. Er sah sich selbst, auf einem Schlachtfeld, den Geigenbogen wie ein Schwert schwingend… Er schüttelte den Kopf.
Niemand der anderen erwiderte seinen Blick, sein aufforderndes Nicken. Genaugenommen hörte er nicht einmal, was draußen gesprochen wurde. Die Violine zitterte auf seinem Schoß.
Ein Rasseln ertönte - jemand zog den schweren, roten Vorhang auf. Grelles Licht flutete in das Halbdunkel der Bühne und ließ die Musiker blinzeln. Auf einmal sahen sie sich vielen fremden Gesichtern gegenüber… Will wusste, irgendwo dort saßen auch seine Freunde, seine Familie, die er mit der Musik glücklich machen wollte. Er wollte ihnen eine Freude machen, deshalb war er hier.
Irgendwo raschelten Notenblätter. Staubkörner schwebten in der Luft.
Er blinzelte.
Auf einmal richteten sich alle Augen auf den Taktstock hoch in der Luft - emporgehoben wie ein Mahnmal, ein Zeichen für alle. Will hob sein Instrument ans Kinn und schloss die Augen. Er holte noch einmal, ein letztes Mal tief Luft. Dann wartete er.
Die Musik setzte ein wie ein Vogelzwitschern. Sanft und fein umspielte sie die Gesichter der Zuhörer und zauberte ihnen ein Lächeln aufs Gesicht, dann erhob sie sich wie ein Schwarm aufgeschreckter Tauben und flatterte durch den Saal. Mehr und mehr Instrumente setzten ein, erhoben sich und fielen gleichermaßen, bis alles aufblühte und seine Vollendung fand in einem riesigen Chor, einer Ode an die Musik, an die Freude und die Liebe, ein Denkmal zu Ehren aller großen Komponisten.
Will atmete tief durch… er spürte bereits, wie um ihn herum alles kleiner und kleiner wurde. Geübt tanzten seine Finger über den Hals des Instruments, der Bogen liebkoste die Saiten geradezu… Der Junge fixierte das Notenblatt, auch wenn er es genaugenommen nicht nötig hatte, die schwarzen Noten hypnotisierten ihn beinahe.
Wieder wurde die Musik lauter, verspielter, und Wills Herz hüpfte. Nur zu gerne ließ er sich mitreißen von dieser Ekstase, war bereit, alles zu vergessen, was ihn beschäftigte, was ihm Angst machte. Da war kein Publikum, kein Rollstuhl… nur er allein und die Musik.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er der Orchesterleiterin und Dirigentin direkt in die Augen. Sie nickte ihm zu und zwinkerte, dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Orchester.
Will blickte zu den anderen jungen Musikern, als würde er nach Sicherheit suchen, und war erstaunt. Wo er vorhin die Reaktionen vermisst hatte, sah er nun strahlende Augen, die ihm aufmunternd zuzwinkerten, ermutigende Lächeln und unhörbar geflüsterte Worte.
Das Orchester wurde leiser, als würde es zur Seite treten und den Platz freigeben. Will war sich so sicher wie noch nie, als er seinen Bogen erneut hob und an die Saiten setzte.
Er begann sein Spiel mit einem ersten, noch etwas wackeligen Ton, dem er hinterherhorchte, wie er sich ganz allein langsam im Saal ausbreitete. Hätte er es gekonnt, wäre er nun aufgestanden, um seine Töne, seine Musik ins Publikum zu schleudern. Hier war er, allein, bereit, alles zu geben.
Sanft, aber durchdringend schwebten seine Töne im Raum und bohrten sich in die Herzen der Zuhörer. Seine eigenen Töne. Will ließ sich treiben, die Augen geschlossen, wiegte er sich im Takt der Musik. Ein Strahlen breitete sich auf seinem Gesicht aus, doch er lächelte in sich hinein, mit geschlossenen Augen.
Er sah nicht, wie sich im Publikum einer nach dem anderen erhob, sah nicht die Tränen auf den Wangen glitzern, sah nicht die Hände, die zaghaft nach einander griffen. Doch als er die Augen wieder öffnete, sah er das anerkennende Nicken der Dirigentin, den Stolz in ihren Augen, als sie erst ihn und dann das gesamte Orchester betrachtete.
Kaskaden von Licht fielen auf die Bühne herab, als er, zusammen mit den anderen, den letzten Ton spielte. Er zog ihn in die Länge, lauschte ihm hinterher, begleitete ihn auf seiner Reise durch den Saal, als wäre er ein Abenteurer, der zu neuen Ufern aufbricht. Dann setzte er den Bogen ab und wagte endlich wieder, zu atmen.
…
„Will!“, hörte er bekannte Stimmen rufen, als er nach dem Konzert in den Saal rollte, in dem sich die meisten der Gäste noch aufhielten und einen Sekt genossen.
Sein Puls war von der Aufregung noch erhöht, doch als er seine Freunde auf ihn zustürmen sah, schlug sein Herz erneut Purzelbäume.
„Will, ihr wart brillant! Du warst brillant! Es war einfach gigantisch!“ Sky fiel ihm um den Hals und er lachte. Glückwünsche strömten von allen Seiten auf ihn ein, anerkennende Worte, auf die er kaum reagieren konnte.
Er war selig. Wie lange schon hatte er davon geträumt, andere mit seiner Musik einfach nur glücklich zu machen… Aller Streit, der ganze Machtkampf von damals war vergessen. Jetzt galt es nicht mehr. Jetzt galt nur noch das Wohlwollen, mit dem sie alle gemeinsam entschieden hatten, Will die Solostimme zu übertragen. Jetzt galten nur noch die fröhlichen Gesichter im Dämmerlicht der spärlichen Beleuchtung.
„Und ob du’s glaubst oder nicht…“, zwinkerte Nana, „ich musste weinen, so schön war es. Sky aber auch.“, grinste sie. Ihre Freundin nickte. Dann stellten sie ihre Gläser beiseite und sahen die anderen auffordernd an. „Bereit zum Aufbruch?“
„Wartet noch…“, sagte Will und hielt an. War das etwa…
Die Person auf der anderen Seite des Raumes wandte sich rasch ab und verschwand in der Menge. Will drehte sich wieder zu seinen Freunden um. Und doch war er sich fast sicher, Philippa gesehen zu haben…
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Characters featured:
Willem Fischer
and the others.
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The end is drawing near! °-°
this is one of my favourite chapters ~ I hope, you'll like it! (: and yes, I promise, I will translate it! ._. be patient with me D:
Art, written art, characters (c) by me, no ref used
Edited it with PS, a little bit. ;D